Knapp, knapper, Indien!
Nach Monaten in diesem Land kam meistens bei einer der alltäglichen typischen „Bei Nahe Kollision“ z.B. nur noch trocken, lapidar die Aussage über Funk von Coco: „Hast du das gesehen? Recht knapp ne!?....“ Knapp hieß in diesem Falle aber schon, das die tangentiale Annährung sich bereits im einstelligen Zentimeterbereich belief. Alles andere wurde auf Grund der Häufigkeit schon lange nicht mehr kommentiert.
Wenn man in Pakistan schon Angst vor dem Exitus durch Terroristen gehabt hat, dann sollte man aus rein rationalen, lebenserhaltenden Gesichtspunkten schon gar nicht in Indien Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr werden oder gar auf die Idee kommen sich auch noch selber mit einem Motorrad in diesem Arterhaltungskampf zu stürzen. Das schleuderte ich auch jedem Inder entgegen der uns zu seinem verhassten Nachbarn erklärte: Pakistan sei „a very dangerous country because of Taliban“! Die Chance hier im täglichen Verkehrsüberlebenskampf verschluckt bzw. auf der Strecke zu bleiben ist unserer Meinung ungleich größer. Sicherlich gibt es auch Gegenden ( Ladakh, Goa, Teile von Südindien ) wo es gesitteter zu geht, als z.B. in so einigen Bundesstaaten nördlich von Dehli....
Wir fassen zusammen: Wer in Indien selber fährt, sammelt jeden Tag lebensbeendende Situationen en masse. Der Durchschnitt aller Inder fährt so irre, dass man annehmen kann, er wolle so schnell wie möglich auf einem Scheiterhaufen, vorzugsweise natürlich direkt in Varanasi, brennen und dafür legen sie sich aus unserer Sicht wirklich mächtig ins Zeug. Das wir allerdings gar keine Hindus sind und da auch gar nicht hinwollten (zumindest nicht brennend), schien sie leider nicht im Geringsten zu stören....
Wenn die "kritische Menge der Ereignisse pro Tag" erreicht ist und das persönliche Stresslevel somit am Limit, so sollte man tunlichst entweder anhalten, Pause machen oder noch besser: Nun am Ziel angekommen sein..., denn ansonsten wird nun die “gefährliche Situationshäufigkeit“ dramatisch höher. Das alles oftmals ausgelöst durch Wut, Anspannung, Konzentrationsmangel (auch bedingt durch den hohen Flüssigkeitsverlust als Biker) nun auch noch viel gefährlicher. Wir nennen es die sogenannte
"Exponentialfunktion des indischen Verkehrswahnsinns".
Mehrmals versuchte man uns seit dem Start an diesem besagten Tag um 5 Uhr zur Wiedergeburt zu verhelfen. Dummerweise wollten wir noch sehr viel weiter und beachteten unsere selbstaufgestellte schlaue Theorie mal wieder nicht oder wollten Sie einfach nur nochmal bestätigt haben...? Das sogenannte Fass war also voll, lief über und ich rastete das erste Mal so richtig aus.
Ich versuchte unserem großen, weißen Hai ( Mahindra ) als mutiger Clownsfisch Nemo mit dem Fuß in seine Flanke zu treten (a la David gegen Goliath). Wild gestikulierend überholte ich ihn immer wieder... “Er solle anhalten! Verdammt nochmal! Jetzt und genau hier klären wir das mein Freundchen!“ Er sollte jetzt das Bauernopfer für den Rest der indischen “(Kraftfahrer)-Raubfischmörderbande“ sein, die uns schon seit Monaten so demütigte bzw. jagte. Er schaute mich nur verwundert mit großen Augen an. “Was hat denn der Kleine da neben mir?“
Falls er seine Aktion überhaupt selbst war genommen hatte, dachte er sich sicherlich:
Du kleiner Fisch lebst doch noch, wieso in Vishnus, Shivas oder Krishnas Namen beklagst Du dich?