Bei der einzigen Motorradwerkstatt in Lahore für größere Maschinen war nur ein Kopfschütteln zu registrieren. Getriebeteile für eine XT 600 hat hier natürlich keiner und sind auch nicht zu bekommen. Zahnräder hier herstellen zu lassen ist ein hoffnungsloses Unterfangen. In dieser Qualität und Stahlgüte das hinzubekommen ist aussichtslos.
Erst beschlossen wir deshalb nur die defekten Zahnräder aus Deutschland schicken zu lassen. Den Gedanken verwarfen wir dann jedoch schnell wieder, als wir mit Hilfe der Beratung durch das XT Forum und durchmessen aller Motorverschleissteile (Kolbenspiel, Kolben, Nockenwelle, Lagerüberprüfung) die Kosten durchkalkulierten. Wir beschlossen, dass eine Reparatur mit Austausch der Zahnräder mit Ersatz aller relevanter Dichtungen, Simmerringe, Schrauben nur geringfügig billiger wäre wie einen gebrauchten “Neuen“ aus Deutschland zu importieren.
Zu der oben erwähnten Reparatur sei natürlich noch erwähnt, dass nach dem Zusammenbau dann auch alles einwandfrei laufen muss. Es bestand dabei immer noch folgendes Risiko: Wenn uns nur ein kleiner Fehler passieren würde, dann müssen wir vielleicht erneut mit Express Teile versenden müssen. Da sind zusätzlich schnell mal mehrere hundert Euro und auch wieder viel Zeit weg. Der Rest des Motors war außerdem immer noch im Zustand einer Maschine die schon über 70.000 km runter hatte (wieviel mehr es zusätzlich noch waren, weil gebraucht gekauft wissen natürlich auch nicht....).
Wir hatten zudem das Glück über das XT Forum neben Beratung und Tipps aus der Gemeinschaft auch eine verlässliche Adresse bezüglich eines absoluten Spezialisten zu bekommen. MOTORITZ war so einer. Er hat wirklich ne Menge an Ersatzteilen, Motoren und gebrauchten XT´s bei sich liegen und auch glücklicherweise einen mit nur 22000km für uns im Regal gehabt. Tausend Dank nochmal! Nach netter Beratung zwischen Pakistan- Deutschland, machte das uns die Entscheidung sehr viel einfacher. Wir entschieden uns für eine komplette Herz (Motor)- transplantation. Blieb nur die Frage. Was passiert mit dem Zoll?... Jeder riet uns ab. Es könnte ein Albtraum werden.... Hatten wir uns das wirklich gut überlegt, fragten wir uns schon. Eine chaotische Zollabfertigung in Pakistan hätten wir uns vielleicht nicht erträumt auf unserer Reise, aber man muss die Abenteuer halt nehmen wie sie kommen und so wollten wir uns auch dieser Herausforderung auf unserer Reise stellen.
Der Transport verlief dann wirklich erstaunlich reibungslos. Die von uns online beauftragte Iloxx Spedition holte den Motor bei Motorritz ab und brachte sie zum ADAC nach München. Wir konnten uns mit diesem in kulanter Weise einigen, uns den Motor nach Pakistan zuzustellen. Wofür ist man denn auch schon 15 Jahre Mitglied und hat fast nie was? Dann ging es mit nur zwei Tagen viel schneller als gedacht, da war der Motor plötzlich schon in Lahore am Flughafen und nun war es an uns ihn auch dort aus dem Zoll zu bekommen....
Zoll in Pakistan ist wie sich schnell rausstellte noch unbeliebter wie Bohren beim Zahnarzt. So hilfsbereit Pakistanis auch waren, an diese Aufgabe wagte sich so richtig keiner ran und jeder unserer Bekannte versuchte es einem anderen in die Schuhe zu schieben. Also mussten wir ganz alleine ran. Eines nachmittags rollten wir also mit Lilly beim Flughafenzoll vor und wollten halt mal eben gerne unser Packet in Empfang nehmen.... Kann doch nicht so schwierig sein! Wir wurden belächelt und uns wurde geraten am nächsten Morgen schon um 8.00 Uhr dort zu sein.... Jetzt hätte das eh überhaupt keinen Sinn mehr! Auf was hatten wir uns da bloß eingelassen? Am nächsten Tag trotteten wir dann artig gegen 11.00 Uhr an. Wir waren damit zwar auch wieder zu spät, aber es sollte zu mindestens los gehen.
Jetzt natürlich gleich erst einmal Mittag und somit Pause...Warten war also erstmal angesagt. Das konnten wir seit Belutschistan, Iran schon ziemlich gut. Dann ging aber tatsächlich noch etwas los.....
Wir betraten also direkt „das Haus der Verrückten“ aus der Folge "Asterix und Obelix erobern Rom", wie der Flughafenzoll nach einiger Zeit von uns nur noch bezeichnet wurde. Wer jetzt welche Rolle von beiden Hauptdarstellern und Nebendarstellern aus der Szene des bekannten Comics hatte, variierte je nach Situation. Die ersten Papiere wurden angelegt und die Zollberechnungen wurde gemacht.... Da hier aber nicht nur der Preis des versendeten Gutes für die Berechnungen zählt (Netterweise wurde dieser in Deutschland sehr, sehr niedrig deklariert), sondern die Transportkosten (Flug) kommen noch mit hinein. Somite lag der Zollpreis, nachdem der Beamte minutenlang auf einer herausgerissene Zeitungsseite handschriftlich kalkuliert hatte, fast doppelt so hoch wie der eigentliche Motor gekostet hatte. Er kam auf ca. 1200$!!!! Waaasss?
Wir erklärten dem Herrn, dass sie dann doch einfach unseren Motor für immer einlagern könnten, in ihrem sicheren Zollager und wir diesen dann niemals mehr abholen werden würden, bei dieser unverschämte Summe. Zumal wir diesen ja gar nicht für ewig importieren wollen, denn wir werden das Land ja wieder verlassen. Carnet de Passage macht es möglich. Ratloses Achselzucken. Alles nicht zu vermitteln. Kann er nicht entscheiden..., immerhin gab´s gratis Tee. War ja irgendwie klar, das es gleich mit Frust losgeht.
Der Wahnsinn lief also an, genau so wie die Rennerei von A nach B. Man schickte uns, nachdem wir die Herrn Pontius und Pilatus abgeklappert hatten, letztendlich zum Boss der Behörde. Vielleicht hat der ja noch eine Idee?
Boss??? Hier trafen wir auf die einzige Frau im Zoll. Ein großes Büro mit vielen palavernden Männern darin. Alsbald wurden erstmal alle anwesenden hinaus geschickt und wir konnten unser Anliegen vortragen. Wir waren uns ziemlich sicher das unser Gesuch nun direkt hier scheitern wird. Voreingenommen wie wir nunmal sind, muss eine Frau in dieser Position jegliche Weiblichkeit verloren haben um diese Stelle zu bekleiden. Sich in dieser Männergesellschaft überhaupt durchzusetzen ist unglaublich anstrengend. Frauen wurden hier nämlich nicht einmal auf den Fluren gesehen und jedes mal wenn Körperkontrolle beim Einlass anstand, konnte Coco ungesehen alles mit rein und raus nehmen. Es gab überhaupt kein weibliches Personal zum Abtasten. Stattdessen nur Wachmänner mit großen Augen. Soviel mal zum Thema Effektivität und Frauenquote.
Unsere jetzige Hoffnung lag also in den Händen der einzigen tätigen Frau im Umkreis von Kilometern. Sie holte zwei ihrer Berater dazu und gemeinsam wurden Zollparagraphen von „anno dazumal“ in den verstaubten riesigen Gesetzbüchern von definitiv vor 1947 gewälzt. Man wollte uns wirklich helfen. Unsere Carnets wurden dabei ratlos von A nach B bewegt, die doch eigentlich erklärten, dasd wir sowieso in einem bestimmten Zeitraum das Land mit Fahrzeug wieder verlassen würden. Die Gesetze wurden anscheinend direkt mit dem Ende der britischer Kolonialherschafft 1947 von diesen übernommen und auf diesem Stand waren sie wohl immer noch. Plötzlich ein Blick in unsere Richtung und die Frage, was wir hier eigentlich machen würden?
Öhhhm.., ja also..., versuchten wir zu erklären. Sie unterbrach uns und wand ein, ob wir vielleicht auf einer Expedition wären...? Expeditionen wären nämlich zollfrei...! -Wink mit dem ganz großen Zaunpfahl- Äh, na klar...., also wenn man es ganz genau nimmt, befanden wir uns schon irgendwie auf so einer Art Expedition! Sicher!!! Schnell nickten wir zwei gleichzeitig im Akkord, wie die berühmten, nimmermüden Duracell Häschen.
Also wurden die Brillen abgesetzt, eins, zwei, drei ein handschfriftlicher Fetzen Papier mit einem Paragraphen beschrieben und sie erklärte uns, falls es Probleme gäbe sollten wir jeder Zeit wieder zu ihr kommen. Das war es!
Ungläubig fragten wir nach und jetzt wurde uns so richtig klar, dass uns tatsächlich gerade die gesamten Import - Zollkosten durch irgend einen Paragraphen XY für Expeditionsteilnehmer erlassen wurden.
Wow, damit hatten wir nicht gerechnet. Geht doch! Wer sagt es denn? Tee für lau gab es auch wieder. Das läuft! Jetzt noch eben kurz die restlichen Unterschriften einsammeln und los geht´s. Wir waren wieder frohen Mutes auch noch den Rest zu stemmen. Nach europäischem Denken, selbstverständlich am gleichen Tag. Es war ja schließlich alles geklärt, oder etwa nicht? Sprintend sammelten wir nun dutzende von Stempeln und Unterschriften ein, die wirr durcheinander auf einem Zettel zusammengestellt wurden.
Hintergrund ist wohl der, das möglichst viele Leute unterschreiben müssen um der Korruption vorzubeugen. Da das nicht unbedingt auf kleinster Ebene am schlimmsten ist, sondern der Fisch bekanntlich meistens vom Kopf an stinkt, scheint dabei überhaupt keine Rolle zu spielen. Hier wurde fleissig bürokratisiert. Es war wirklich ein Irrsinn wer hier alles unterschreiben musste und für was eigentlich überhaupt? Die deutsche Bürokratie mag zwar manchmal zum Haare raufen sein, aber das ist nichts gegen den Zoll in Pakistan. Es wurde natürlich alles fein säuberlich kopiert. Leider gab es keinen Kopierer im Gebäude, deshalb wieder raus auf die Strasse zum Kopiermenschen. Dort gab es immerhin wieder Tee. In einem großen Raum mit hunderten Papierstapeln sahen wir auch wo die Akten gelagert wurden. Wir lernten das allseits praktizierte Haufenprinzip in neuen Dimensionen kennen.