Damit dieses Chaos nicht auf den Autobahnen überhand nimmt, verbietet man deshalb einfach gleich alle motorisierten Zweiräder. Große und stärkere Maschinen über 250ccm gibt es, bis auf die der wenigen Reichen, nämlich gar nicht auf Pakistans Straßen. Was vielleicht auch gut so ist.
Den ersten drei Stoppversuchen der verdutzten Polizisten konnten wir über die ersten 50 km auch noch ausweichen und so tuen, als hätten wir natürlich gar nichts gemerkt.... Demonstrativ schauten wir immer genau in die entgegengesetzte Richtung, bis plötzlich die Fahrbahn mit mehreren Personen und zusätzlich von einem Polizeifahrzeug blockiert wurde. Die Kollegen hatten sich wohl abgesprochen. So ein Pech für uns! Das konnten wir nun wirklich nicht mehr "übersehen" haben. Erstmal sah es jetzt also nach richtig viel Ärger aus. Die Beamten waren jedoch äußerst freundlich und wir hofften, dass nun auch noch unser "Dauer- Persilschein" wirkte. Denn dermaßen vollgepackte Geländemotorräder bringen in der Regel in fast allen Teilen der Welt nicht nur den Normalbürger zum Staunen. Denn auch die vermeintliche Staatsmacht vergaß oft bei der Frage nach Hubraum, Tankvolumen so manchmal ihre eigentlichen hoheitlichen Aufgaben. Außerdem war insgeheim wohl fast jeder Pakistani ein heimlicher Motorradfreak. Hier war diesmal jedoch nichts zu machen und nun auch wirklich endgültig Schluss. Eine Grundsatzdiskussion was es denn für einen Sinn machen würde, ein offensichtlich mindestens genau so schnelles Mopped wie die meisten anderen Autos, die Erlaubnis zu verweigern auf dieser Straße zu fahren, führte auch zu nicht viel. Das hieß für uns also: Wir mussten uns über eine Art Verbindungslandstraße auf die Ausweichroute nach Islamabad begeben. Das war so schon ziemlich lästig, denn wir hatten uns nun zeitlich schon total verzockt und nebenbei, da die Autobahn nicht parallel dazu verlief, auch noch ziemlich weit von der Ausweichroute entfernt. Wir mussten also den gut ausgebauten, leeren und damit total verlockenden Highway verlassen um auf die total überfüllte Landstraße mit dem oben genannten Getier, den Ritschka-, Fahrrad-, Moppedfahrern und den noch weitaus tödlicheren, wildhupenden, drängelnden Autos, Trucks und Bussen vorlieb nehmen. Es hätte alles so entspannt und sicher sein können..., aber dann wären wir ja wohl gleich Zuhause geblieben....
Wir fassten den Plan uns einfach schnell durchzuschlagen. Vielleicht etwas zu flott, wie sich dann kurze Zeit später herausstellte. Denn ein "Bauklötze staunender" pakistanischer Mopedfahrerer, tauchte direkt hinter Tims Rücklicht auf. Aus dem Nichts, hinter einem LKW querend, manövrierte er sich direkt vor Cocos oder Lillys Nase. Immer noch sehnsüchtig in „Männerträume“ versunken, blickte der Träumer regungslos auf der Fahrbahn hinter Ollis Maschine hinterher und hatte sich damit endgültig in Ruheposition auf Cocos Fahrbahnseite gestellt. Ein weiteres Motorrad oder Fahrzeug hatte er wohl einfach nicht erwartet. Wer kann denn auch ahnen, dass dieses Ereignis gleich zweimal vorkommt? Soviel tolles Motorrad an einem Tag kam hier sicher nicht oft vorbei! Der nächste Kontakt sollte für ihn nun allerdings wirklich physischer Natur sein. Es erfolgte das Unvermeidliche! Coco spekulierte zwar noch bis zur letzten Sekunde, dass der Bursche irgendwie die Straße vor ihr noch räumen würde. -Das Ganze hierbei natürlich in Sekundenbruchteilen ab.- Ausweichen konnte sie nämlich nicht mehr, denn der Gegenverkehr, bestehend aus einem frontal auf sie zukommenden LKW, wäre die noch schlechtere Ausweichalternative gewesen. Da zwischen ihm und Ihr nur noch wenig Wegstrecke bestand, reichte der Bremsweg bei der anschließenden Vollbremsung nicht und Cocos Hinterrad brach aus und seitlich rutschend krachte sie schließlich mit respektablen Tempo in den immer noch Träumenden mit voller Wucht hinein. Bumms!
Das kleine Moped und der „Stauner“ wurden vollständig unter Lilly und Coco begraben.
Olli merkte alsbald, aufgrund fehlender Rückmeldung vom Gesprächspartner über das Interkom, dass etwas passiert sein musste und als er wieder zurückkam bot sich ihm ein verstörendes Bild.... Es hatte sich bereits eine Traube von 10-20 Männern um das Geschehen gebildet, die alle auf Coco einredeten, um ihr zu helfen. Krankenwagen, Mechaniker alles wäre möglich. Nach dem ersten Schock seinerseits stellte sich heraus, dass Coco und dem nun „Darunterliegendem“ glücklicherweise außer Beulen, Prellungen und Schrammen nichts Größeres passiert war. Dem Pakistani war es jedoch so peinlich, dass er den Mund gar nicht mehr aufbekam, als er dann auch noch bemerkte von einer ausländischen Frau über den Haufen gefahren worden zu sein. Wie häufig fliegt hier schon ein solch großes Mopped vorbei, mit dem man dann auch noch zusammenstieß? Es schien für die schnell zuströmenden Schaulus-tigen mal wieder als wäre ein UFO gelandet. Überall lagen, von dem kleinen 70 ccm Moped, die sich als Honda entpuppte. Zerbrochene Plastikteile von Blinker, Scheinwerfer, usw.
Der Menschenauflauf wurde nun immer größer. Von Polizei noch keine Spur. Wir wollten aber nur noch weg, und einigten uns, dass jeder seinen eigenen Schaden begleichen wollte. Es sah nämlich bei Corinnas Maschine kurz nach verbogenen Gabelholmen aus, was uns dann erst einmal ziemlich fertig machte, da der Lenker schief zur Cockpitverkleidung stand. Dies wäre dann kein „Kinkerlitzchen“ gewesen. Es stellte sich aber kurz später nur als verbogener Lampenträger heraus der die komplette Verkleidung verzog. Wir waren nur froh als wir wegkamen. Zu aufgeregt waren alle Beteiligten. So was kann auf dem Land in Pakistan auch schnell schief gehen und hätte, wenn die Polizei aufgetaucht wäre nur noch mehr Scherereien bedeutet.
Umzudrehen nach Roshni war für uns aber auch keine Option. Hatten wir doch nur den Schrecken in den Knochen, ein paar Schrammen an Lilly und uns gerade von dort nach so vielen Monaten freigestrampelt. Ärgerlich war es schon, da waren die Maschinen einmal gerade wieder so richtig in Schuss, da passierte keine 100 km später natürlich direkt so etwas! Irgendwie auch logisch!
An dem Abend kamen wir aber doch noch sehr spät nach Islamabad und fanden auch nach einiger Suche eine Unterkunft. Preislich zwar an der Schmerzgrenze, aber nachdem Tag war auch schon alles egal. Am folgenden Morgen wollten wir jedoch nach kurzem Sightseeing der Stadt schnell weiter, denn unser Großstadtbedarf war nach Monaten im Smog von Lahore bereits lange ausgereizt.