Bis zur nepalesischen Grenze waren wir nämlich seit dem frühen Morgen auf indischer Seite mal wieder förmlich auf dem Zahnfleisch gefahren. Für uns war dies besondere in Indien schon irgendwie normal, aber an diesem Tag sollten wir noch einmal quasi zum "Auf Wiedersehen" sagen die volle Dröhnung bekommen. Irgendetwas schien uns krampfhaft an dieses Land zu binden in dem wir nun vier Monate unterwegs waren, denn wir fanden dessen Ausgang einfach nicht….
Unser Navigationssmartphone am Motorradlenker war leerglutscht, das Ladekabel ließ sich in der Hektik am Vormittag nicht finden, wir fuhren auf einer Straße auf welcher wir nicht sein wollten und eigentlich war die Grenze nur 30 km weit weg. So zu mindestens der letzte Stand, bevor die elektronische Navigation versagte. Kurz gesagt: Wir hatten uns total verfahren. Wer dachte denn daran, dass Nepal so schwer zu finden war. Der Verkehr tat mal wieder sein übriges dazu, um uns auf dieser Irrfahrt vollends zu zermürben. Siehe unseren Bericht: "Schwimmen im Haifischbecken bzw. Motorradfahren am unteren Ende der Nahrungskette“
Zum ersten Mal hatten wir die grundlegende Regel, wie man einem Inder eine Frage stellt missachtet (gilt übrigens auch für viele andere asiatische Nationen).
„Hey Mister, ist dies die Richtung zur nepalesischen Grenze nach Mahendranagar?“
Dabei zeigten wir bereits mit der Hand in die Richtung, in welche wir vermuteten es sei die Richtige....
Ein fataler Fehler.
Wir lagen mit unserer Annahme nämlich um 180 Grad falsch. Die Inder die wir fragten wussten natürlich auch nicht in welche Richtung die Grenze lag. Sagten dies aber nicht, sondern schlossen sich daraufhin, mit ihren wohl einzigartigen “achtenvollziehenden Kopfwackelnickbewegungen“, sowie wirklich nur sie es können, einfach unserer Meinung an. Mit dem Kopf eine Acht zu vollziehen heisst nämlich “ja“. Das ist erstmal für den Ausländer sehr verwirrend. Für uns sah das am Anfang unserer Indien Zeit immer wie "Nein“ aus und hatte uns oft verwirrt. Wir fuhren also weiter in die falsche Richtung. Wie man uns kennt, war unser Zeitplan ohne Verfahren auf "just in time" ausgelegt, was die Situation nicht entspannter werden ließ.
Niemals, aber auch niemals liebe Leser sei deshalb an dieser Stelle erwähnt, sollte man bei solchen Fragen in Indien schon selber in die Richtung zeigen oder gar die vermeintliche Antwort vorgeben. Denn dann schließt sich der Inder einfach deiner Meinung an, auch wenn er keinen blassen Schimmer hat wovon du überhaupt sprichst. Sie wollen einfach nicht ihr Gesicht verlieren, besonders wenn Sie Fremden nicht weiter helfen können.
Ich könnte auch nickend fragen: „Geht´s hier zum Mars?“
Und man würde dies direkt bejahen. Nicht das wir diese Regel nicht kannten, aber an diesem Tag hatten wir irgendwie überhaupt kein glückliches Händchen und vergaßen in der Hektik die kulturellen Gegebenheiten. Wir fragten ja nicht nach einer kleinen Pension oder einem Laden, sondern nach einer in unseren Augen allen dort Lebenden bekannten Grenze ihres Nachbarstaates! Selbst 5 km vor der Grenze schickten uns die "Wackelinder“ wieder in die entgegensetzte Richtung zurück.
Woher soll man auch wissen was Nepal bedeuten kann? Ich versuchte es nochmal deutlicher auszusprechen und mich gebührend zum Affen zu machen:„Nepaaaaaaaallll???" zuckte dabei mit den Achseln, machte ein fragendes Gesicht und schaute in die belustigten Gesichter meiner Gegenüber, aber auch das half alles nichts.
Manchmal will anscheinend überhaupt keiner irgendwas verstehen oder wir unterschätzten die Transferleistung dieser Frage einfach enorm. -Incredible INDIA!!! soviel war uns schon lange klar. Wir verloren also knapp vor dem Exit nochmals sehr wertvolle Zeit und die Schließung rückte unaufhaltsam näher.
In vielen Ländern dieser Welt ist dies nicht ein so großes Problem das Visa einen gewissen Zeitraum zu überziehen. Normalerweise zahlt man eine kleine Gebühr pro überzogenem Tag oder kann das Visa vor Ort im Land verlängern. Nicht so in Indien. Hier geht nichts von beiden. Hier sind sie dann plötzlich sehr kleinlich, denn eine Verlängerung im Land ist ausgeschlossen und bei Überschreitung des Ausreisedatums wird einem eine weitere Einreise nach Indien manchmal verweigert. Das wollten wir tunlichst vermeiden denn wir mussten nach Nepal auf unserem Weg nach Osten auf dem Landweg wieder nach Indien hinein.
Kurz vor Grenzschließung am späten Nachmittag war die Schnitzeljagd dann doch noch erfolgreich vollendet. Im indischen Grenzdörfchen Banbasa fanden wir tatsächlich die Brücke über den Sarda Fluss, welche uns den Weg nach Nepal/Mahendranagar freigab. Ein Brückenwärter kam von der anderen Seite der Straße gelaufen, um uns die großen Tore zu öffnen. Wir passten halt so gerade nicht mit unseren breiten Koffern durch die Durchgangstür wie der restliche motorisierte Kleinkraftverkehr.
Endlich, wir hatten den Grenzübergang nach Nepal gefunden!
Nach der erfolgreichen Ausreise aus Indien füllten wir dann unsere Grenzdokumente aus, Corinna erklärte den nepalesischen Zollbeamten wo und wie ein Carnet de Passage für die Motorräder überhaupt zu stempeln sei. Der Grenzer schaute dabei zu wie ein kleiner Schuljunge gebannt zu und schien das zum ersten Mal zu machen. Wir waren dagegen nur erleichtert. Endlich begann ein neuer Abschnitt unserer Reise. Das konnte man spüren. Deshalb füllten wir die Dokumente auch sehr gerne, bis auf Ihre Unterschrift natürlich, für Sie selber aus.